Ernährungstipp: Milchsuppe

Retrogradierte Stärke

Rene Dolge zoom Sollten Nudeln und Kartoffeln vor dem Essen erst heruntergekühlt werden?

Zutaten (für 2 Portionen):

  • 1 Liter Milch 1,5 % Fett
  • 2 Eigelb
  • 1 EL Mehl
  • 1 Prise Salz
  • 70-100 g altbackenes Brot oder Brötchen

Gesamtenergie: 495 kcal, Eiweiß: 26,7 g, Kohlenhydrate: 57,7 g, Fett: 16,1 g
(Angaben pro Portion)

Zubereitung

Eigelb mit Mehl und einer Prise Salz verrühren. Die Brotreste mit einem Messer oder mit den Händen grob zerkleinern und in einer trockenen Pfanne etwas rösten. Nun in einem Topf die Milch zum Kochen bringen und das Eigelb-Mehl-Gemisch dazu geben. Unter Rühren nochmals aufkochen und bei mittlerer Hitze noch 3-5 Minuten weiter köcheln lassen. Wer es süß mag, fügt nun noch etwas Zucker oder Honig hinzu. Anschließend wird die warme Milch über die Brotwürfel in eine Schale gegeben und gegessen. Die Milchsuppe kommt traditionell aus den Schweizer Alpen und galt dort früher als Nationalspeise. Zur Nährstoffaufwertung können noch frische oder getrocknete Früchte, sowie kaltgepresste Öle oder Nüsse hinzugefügt werden. Statt Eigelb und Mehl, kann eine Packung Puddingpulver Verwendung finden.

Geeignet als: Frühstück, süße Hauptmahlzeit

Nutzen für den Sportler

Unsere kohlenhydrathaltigen Lebensmittel wie Nudeln, Getreide, Kartoffeln u. a., enthalten Stärke, welche aus den zwei verschiedenen Glukoseketten Amylose und Amylopektin aufgebaut sind. Diese riesigen, verzweigten Zuckerketten werden bei der Verdauung durch unsere Enzyme zerschnitten und so für die Aufnahme vom Verdauungssystem in das Blut vorbereitet. Bei diesem Verdauungsprozess kann jedoch nicht die komplette Stärke aufgespalten werden, da alle Lebensmittel mit nennenswertem Kohlenhydratgehalt natürliche Mengen der unverdaulichen resistenten Stärke enthalten [1]. So kommt resistente Stärke vom Typ 1 vor allem in Vollkorngetreide vor. Typ 2 findet sich in rohen Kartoffeln, Mais und Hülsenfrüchten und wird für uns erst durch den Garprozess verwertbar [1]. Die resistente Stärke vom Typ 3 entsteht beim Abkühlen zuvor erhitzter/gekochter, stärkehaltiger Lebensmittel wie o. g. Nudeln, Kartoffeln etc. So haben also bspw. gekochte Kartoffeln im abgekühlten Zustand einen höheren Anteil unverdaulicher Kohlenhydrate/Stärke, als im frisch erhitzten, warmen Zustand [1]. Der leicht erhöhte Anteil dieser Stärkefraktion bleibt auch erhalten, wenn das Lebensmittel erneut erhitzt wird [1].

Werden Backwaren wie Brot und Brötchen zu lange oder gar kühl gelagert, so wird das Gebäck hart und trocken. Schuld daran sind die enthaltenen Stärkemoleküle des Getreidekorns, welche beim Backprozess Wasser aufnehmen und dabei eine saftige und elastische Krume bilden. Je länger nun die Lagerung andauert, desto mehr Stärkemoleküle werden rekristallisiert – retrogradierte Stärke (resistente Stärke vom Typ 3) entsteht so auch bei diesem Prozess [2].

Die retrogradierte Stärke – auch resistente Stärke Typ 3 genannt – gehört zu den unverdaulichen Kohlenhydraten und wirkt damit wie ein Ballaststoff während der Verdauung. Ihr werden eine Vielzahl positiver gesundheitlicher Wirkungen nachgesagt [3; 4; 6]. Daher existieren bereits dutzende Bücher wie „The Potato Hack“ von Tim Steele, „Die Stärke-Revolution“ von Bethany Silver oder das „Resistente Stärke Kochbuch“ von Luca Fontaine zum leichten Gewicht verlieren, gesund werden und anderen Versprechen.

Die unverdauliche Stärke dient den Dickdarmbakterien als Nahrung. Bei der bakteriellen Verdauung entstehen essentielle Nährstoffe für die Dickdarmschleimhaut (wie Butyrat), der pH-Wert verändert sich positiv und die Darmtransitzeit des Stuhls wird verkürzt. Aus diesen und weiteren Gründen scheint die resistente Stärke zu einem gesunden Wachstum einer gesundheitsfördernden Darmflora und einem reduzierten Risiko für Dickdarmkrebs, sowie einer verbesserten Immunabwehr beitragen zu können [3; 4; 6; 7]. Weiter bindet die retrogradierte Stärke während der Kohlenhydratverdauung im Dünndarm einen Teil des kohlenhydratspaltenden Enzyms a-Amylase. Dies führt zu einer verringerten Kohlenhydrataufspaltung und damit einhergehend zu einer längeren Energiefreigabe, sowie folglich einem weniger stark ansteigenden Blutzuckerspiegel [5; 7]. Es konnten auch positive Effekte auf verschiedene Blutfettwerte beobachtet werden [1]. Jedoch scheint der Anteil retrogradierter Stärke einer Mahlzeit keine Auswirkungen auf den Sättigungsgrad zu haben [3].

Zusammenfassend kann demnach geschlussfolgert werden, dass der Verzehr resistenter oder retrogradierte Stärke eine Vielzahl positiver Gesundheitseffekte mit sich bringen kann. So wird dessen Einsatz in der Therapie des Diabetes mellitus, beim metabolischen Syndrom oder bei der Prävention von Erkrankungen des Darmtraktes diskutiert [1; 3; 5; 6]. Es wird bereits mit retrogradiertem Reis geforscht (der Reis wird dazu mehreren Zyklen der Erhitzung und Abkühlung unterzogen, so dass der Anteil resistenter Stärke auf bis zu 60% erhöht wird). Dieser zeigt im Tierversuch bspw. positive Auswirkungen bei der Prävention von Übergewicht und verringerte verschiedene Blutfettwerte [9]. Auch in der Fertigung unserer Backwaren wird nach entsprechenden Verfahren geforscht, welche die Blutzucker- und Sättigungswirkung positiv verändern sollen [10].

Für alle Sport begeisterten Menschen ändert sich durch diese Erkenntnisse jedoch nicht grundsätzlich die Lebensmittelauswahl. Denn „beim Abkühlen von 100 Gramm Kartoffeln steigt der Anteil an resistenter Stärke an der Stärkefraktion zwar von 6,5 auf 13,3 Prozent, der Kalorienunterschied beträgt allerdings nur 3,5 Kilokalorien“ [8]. Wir müssen also keinesfalls vor dem Essen alle gekochten Kohlenhydratträger – wie Reis, Nudeln oder Kartoffeln – erst im Kühlschrank abkühlen lassen, um den Anteil retrogradierter Stärke zu erhöhen, bevor wir diese essen. Auch bedarf es keiner speziellen Diätratgeber und Kochbücher mit resistenten Stärke-Rezepten [8]. Jedoch können wir den Konsum natürlich vorkommender resistenter Stärke via Haferflocken, Bananen, Vollkorngetreide, Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Gemüse etc. im Rahmen einer vollwertigen Ernährung im Blick behalten und vielleicht hin und wieder die abgekühlten Nudeln u.a. zu leckeren Salaten weiterverarbeiten. Auch das altbackene Brot muss nicht im Müll landen, sondern kann – wie in dieser Milchsuppe – zu vielen nahrhaften Rezepten weiterverarbeitet werden und dabei sogar den Tagesanteil resistenter Stärke erhöhen.

Unser Autor René Dolge ist staatlich anerkannter Diätassistent, trägt den Titel „M.Sc.Gesundheits- und Pflegewissenschaft" und arbeitet freiberuflich in der Diät- und Ernährungstherapie. Im Sachsensport und auf den Seiten des Landessportbundes Sachsen unter www.sport-fuer-sachsen.de stellt er monatlich neue praktische Beispiele für sportgerechte Ernährung vor.

Literatur:

[1] Wisker, E. (2001). Resistente Stärke - Ein Ballaststoff kommt in Mode. Abgerufen am 01.09.17 von https://www.ugb.de/ernaehrungsplan-praevention/resistente-staerke-ein-ballaststoff-kommt-in-mode/?resistente-staerke-ballaststoffe [2] Backmittelinstitut e.V. (Hrsg.)(2002). Bäcker-Uni: Warum und wie verzögern Monoglyceride die Retrogradation? Abgerufen am 08.09.17 von http://www.brotundbackwaren.de/heftinhalte/article_arch_8089.html [3] De Preter, V., Cloetens, L., Rutgeerts, P. & Verbeke, K. (2007). Influence of resistant starch alone or combined with wheat bran on gastric emptying and protein digestion in healthy volunteers. Scandinavian Journal of Gastroenterology, 42(10), S. 1187-93. [4] Magallanes-Cruz, P.A., Flores-Silva, P.C. & Bello-Perez, L.A. (2017). Starch Structure Influences Its Digestibility: A Review. Journal of food science, 82(9), S. 2016-2023. [5] Patel, H. et al. (2017). Structural and enzyme kinetic studies of retrograded starch: Inhibition of α-amylase and consequences for intestinal digestion of starch. Carbohydrate polymers, 164, S. 154-161. [6] Shen, D., Bai, H., Li, Z., Yu, Y., Zhang, H. & Chen, L. (2017). Positive effects of resistant starch supplementation on bowel function in healthy adults: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. International journal of food sciences and nutrition, 68(2), S. 149-157. [7] Yang, X. et al. (2017). Resistant Starch Regulates Gut Microbiota: Structure, Biochemistry and Cell Signalling. Cellular physiology and biochemistry, 42(1), S. 306-318. [8]. Watzinger, C. & Martin, H.-H. (2015). Resistente Stärke: Bedeutung unterschätzt? Abgerufen am 01.09.17 von https://www.ugb.de/exklusiv/fragen-service/resistente-starke/?resistente-staerke-ballaststoff [9] Ha, A. W., Han, G. J. and Kyoung, W. (2012). Effect of retrograded rice on weight control, gut function, and lipid concentrations in rats. Nutrition Research and Practice, 6(1), S. 16–20. [10] Stamataki, N.S., Yanni, A.E. & Karathanos, V.T. (2017). Bread making technology influences postprandial glucose response: a review of the clinical evidence. British journal of nutrition, 117(7), 1001-1012.