Kann Sport ein Türöffner sein, damit Integration gelingt?
Sport kann ein Integrationsmotor sein. Fußball zum Beispiel, das ist am beliebtesten, der größte Fachverband im sächsischen Landessportbund ist der Fußballverband. Es ist nicht so, dass Sport automatisch integriert. Man muss auch etwas dafür tun. Sonst könnten wir auch einfach sagen, wir machen Sportförderung. Aber wir fördern Integration durch Sport. Durch die Integrationsarbeit entsteht ein Mehraufwand, den man mit der "normalen" Sportförderung nicht hätte.

Worum kümmern Sie sich genau?
Das Bundesprogramm »Integration durch Sport«, das ich in Sachsen betreue, gibt es in allen 16 Bundesländern. Es wird vom Deutschen Olympischen Sportbund koordiniert, die Umsetzung liegt bei den Ländern. Man muss dazu sagen: Wir haben in Sachsen andere Bedingungen als andere Bundesländer, es gibt bei uns andere Bevölkerungsmilieus. Das hat in Sachsen unter anderem etwas mit der Abwanderung von jungen, eher aufgeschlossenen Generationen nach der Wende zu tun, mit der heutigen politischen Landkarte. Und natürlich auch mit dem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, in Sachsen beträgt er nur etwa acht Prozent. Er ist also recht niedrig gegenüber zum Beispiel Berlin oder Nordrhein-Westfalen. In den drei sächsischen Großstädten gibt es einen gewissen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, aber in den ländlichen Gegenden ist er sehr gering. Mit diesen Gegebenheiten müssen wir umgehen.

Es ist ein Problem, dass in einigen Landstrichen Menschen mit anderen Hintergründen nahezu fehlen, oder?
Es ist ein Problem, aber es wird sich irgendwann ändern. Deutschland ist ein Migrationsland. Wenn man sich die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt anschaut, den Personalmangel in etlichen Bereichen, wissen wir, dass wir auf Migration angewiesen sind. Schon jetzt arbeiten auch in Sachsen Menschen aus anderen Ländern, vor allem aus Tschechien und Polen. Es wird mehr Migration geben. Was in den westlichen Bundesländern schon stattgefunden hat, wird auch in den ländlichen Regionen Ostdeutschlands passieren. Zugleich gibt es noch das paradoxe Phänomen, das wird in wissenschaftliche Analysen beschrieben und ist auch meine Erfahrung aus Gesprächen: Dort, wo es am wenigstens Menschen mit Migrationserfahrungen gibt, ist die Skepsis ihnen gegenüber am größten. Das sehe ich wirklich als Problem. Solche Ängste werden auch von rechten Gruppierungen und von Parteien wie der AfD geschürt.

Bildungsarbeit als wichtige Säule im IdS-Projekt

Was bieten Sie an, um Integration durch Sport zu fördern?
Wir bekommen Fördergelder vom Bund und vom Land. In Sachsen haben wir knapp 4.500 Sportvereine, fast alle sind bei uns Mitglied, "Es ist nicht so, dass Sport automatisch integriert. Man muss
auch etwas dafür tun" dort können wir unterstützen, weil das der organisierte Sport ist. Davon haben circa 150 Sportvereine mehr oder weniger intensiven Kontakt mit dem Programm "Integration durch Sport". Man kann auf verschiedene Arten fördern, einzelne Veranstaltungen zum Beispiel. Oder sogenannte Stützpunktvereine, die sich langfristig für Integration engagieren, wo Übungsleiter oder etliche Teilnehmer mit Migrationserfahrung dabei sind, und das Miteinander gestärkt wird. Man kann auch Stützpunktförderung beantragen. Wir haben inzwischen ein gutes, flächendeckendes Netz geschaffen, es gibt in jedem Landkreis mindestens drei Stützpunktvereine, vom Erzgebirge bis zur Oberlausitz. Dort gibt es Ansprechpartner mit Schwerpunkt Integrationsarbeit, die wir vermitteln können, auch an Menschen mit Migrationserfahrung, die Anschluss suchen.

Funktioniert Ihre Integrationsarbeit überall?
In einigen Regionen müssen wir mehr Überzeugungsarbeit leisten, damit Vereine sich in der Öffentlichkeit als Integrationsverein positionieren. Das macht nicht jeder Verein automatisch. Da spüren wir
auch Bedenken, wir bekommen auch mal zu hören: Hm, wir leben hier in einer kritischen Gegend, das kommt hier nicht so gut an, wenn wir uns das Integrationslogo auf die Homepage stellen. Da müssen wir dranbleiben, reden, überzeugen. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Wie schaffen Sie es, zu überzeugen?
Durch Bildungsarbeit. Das ist eine große, wichtige Säule bei uns im Projekt. Wir haben einen Bildungsbaukasten, der beinhaltet zum Beispiel Seminare zu diesem Thema. Dabei wird hinterfragt, warum man Vorurteile hat, wie man damit umgeht. Wir haben Menschen mit Migrationserfahrung im Blick, müssen in Sachsen aber auch den Fokus auf die einheimische Bevölkerung, auf die aufnehmende Gesellschaft legen. Integration kann ja nur gelingen, wenn beide Seiten wollen. Rassismus ist aus Fußballstadien nie verschwunden.

Mehrwert für unsere Gesellschaft als Ganzes

Wie erleben Sie das bei regionalen Vereinen?
Verschwunden ist das leider nie. Ich kenne das auch aus eigener Erfahrung. Mein Vater kommt aus dem ehemaligen Jugoslawien. Laut statistischem Bundesamt habe ich selbst auch Migrationshintergrund, sehe mich selbst aber nicht so, da ich in Deutschland geboren wurde. Ich spiele auch Fußball, in der gleichen Mannschaft wie mein Bruder, bei einem Leipziger Club, wir spielen sachsenweit. Vor ungefähr zwei Jahren haben wir gegen einen Riesaer Verein gespielt. Mein Bruder wird im Sommer schnell braun. In diesem Spiel wurde er von Fans als "schwarzes Schwein" beleidigt. Das sind schmerzhafte Erfahrungen.

Wie wird Ihre Integrationsarbeit aufgenommen? Gibt es Erfahrungen, die Sie demotivieren?
Negativ finde ich, wenn Menschen pauschalisieren. Wir bekommen positives Feedback, haben aber auch schon negative Kommentare, fast schon Shitstorms, im Internet abbekommen. Da stehen dann Sachen wie: Wieso gebt ihr Migranten Geld, nicht unseren eigenen Leuten? So etwas demotiviert, wenn man das liest. Und es ist auch falsch, wir geben ja keinen einzelnen Migranten Geld, sondern fördern Sportgruppen, es profitieren ja auch deutsche Kinder, die mit dabei sind, alle miteinander haben etwas davon. Das hat einen Mehrwert für unsere Gesellschaft als Ganzes.

Was sind motivierende Erlebnisse?
Das gibt es einige Beispiele, zum Beispiel den A-Jugend-Trainer unseres Fußballvereins, ein Vorzeigebeispiel für Integration. Er ist aus Syrien geflüchtet. Inzwischen lebt er hier, spricht perfekt Deutsch, engagiert sich neben seiner Arbeit als Trainer und Spieler. Er hat eine Vorbildfunktion, auch im Verein.


Das Interview führte Doreen Reinhard.
 

Alle Informationen zum Programm "Integration durch Sport" gibt es hier.