Anders als bei den Olympischen Spielen wird die Eröffnungsfeier nicht auf der Pariser Seine stattfinden, sondern auf dem Place de la Concorde am Fuße der Champs-Élysées. „Die beiden müssen die Fahne also richtig tragen und nicht nur vom Schiff in die Menge winken“, sagt Dr. Karl Quade, Chef de Mission des Team Deutschland Paralympics, mit einem Augenzwinkern: „Erstmals in der Neuzeit der Paralympischen Spiele wird der Einmarsch nicht in einem Stadion sein. Das wird etwas Besonderes, auch wenn es sehr ähnlich ist, wie man das aus den Stadien kennt: Die beiden gehen der Mannschaft voraus und versuchen, gemeinsam die Fahne zu halten – das ist immer eine große Ehre und ein toller Moment.“
LSB-Vizepräsident Leistungssport, Klaus-Ulrich Mau:"Wir freuen uns sehr, dass ihm diese Ehre zu Teil wird. Als zweifacher Goldmedaillen-Gewinner, Aushängeschild und Repräsentant des sächsischen Sports vermittelt Schulz wichtige Werte und genießt ein hohes Ansehen in der sächsischen Sportgemeinschaft.“
Premiere: Je drei Athletinnen und Athleten standen zur Wahl
Das Wahlprozedere war eine Premiere: Die Bundestrainer*innen und Aktivensprecher*innen der einzelnen Sportarten waren dazu aufgerufen, potenzielle Fahnenträger*innen zu melden. Wie in Tokio 2021 war es auch dieses Mal das Ziel, ein Duo aus einer Athletin und einem Athleten zu finden. Die 143 Athlet*innen und fünf Guides, die für Deutschland in Paris am Start sind, stimmten schließlich für ihre Favoriten ab. Dieses Voting zählte ebenso viel wie das Ranking, das ein vierköpfiges Gremium um Karl Quade aufstellte.
Para Kanutin Edina Müller vom Hamburger Kanu Club setzte sich dabei vor Para Schwimmerin Verena Schott und Para Speerwerferin Francés Herrmann durch, die beide für den BPRSV aus Cottbus starten. Para Triathlet Martin Schulz vom SC DHfK Leipzig entschied die Wahl hauchdünn vor Para Leichtathlet Johannes Floors und Sitzvolleyballer Jürgen Schrapp vom TSV Bayer 04 Leverkusen für sich. „Auch die anderen hätten es total verdient gehabt, aber so ist das bei solchen Entscheidungen“, sagt Quade: „Es kommt niemand in die Vorauswahl, der nicht alles dafür mitbringt, um so einer Ehre gerecht zu werden.“
Edina Müller und Martin Schulz werden Deutschland nun an Position vier mit der Fahne auf den Place de la Concorde führen – so wie es 2021 in Tokio Rollstuhlbasketballerin Mareike Miller und Para Radsportler Michael Teuber gemacht haben. „Sie repräsentieren das Team D Paralympics – und die Mannschaft hat die beiden gewählt“, erklärt Quade. Auch das vierköpfige Gremium kam zum gleichen Ergebnis: „Beide waren sehr erfolgreich in der Vergangenheit, bringen eine hohe Sozialkompetenz mit und übernehmen auch im Privatleben viel Verantwortung.“
Außergewöhnliche sportliche Erfolge
Edina Müller, die in Paris die fünften Paralympics erlebt, brachte von allen vier bisherigen Spielen eine Medaille mit nach Hause: 2008 in Peking Silber und 2012 in London Gold mit der Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft, danach wechselte die heute 41-Jährige in den Einer-Kajak und holte in Rio 2016 Silber über 200 Meter. In Tokio 2021 krönte sie sich – mittlerweile als Mutter des damals zwei Jahre alten Sohnes Liam – auch in der zweiten Sportart zur Paralympics-Siegerin. Diesen Erfolg möchte sie in Paris gegen starke Konkurrenz zu gerne wiederholen.
Auch Fahnenträger-Pendant Martin Schulz ist ein Sportarten-Wechsler, wobei dem 34-Jährigen seine Schwimmstärke, die ihn 2012 mit 22 Jahren zum Paralympics-Debüt in London brachte, auch im Para Triathlon hilft. In der Ausdauersportart, die seit 2016 paralympisch ist, hat er seit 2012 elf EM- und vier WM-Titel gewonnen, dazu fünf Mal WM-Silber – und zwei Paralympics-Siege in Rio de Janeiro und Tokio. In der Ergebnisliste der Klasse PTS5 steht auf Position eins bisher folglich nur der Name Martin Schulz – und das soll in Paris bei seinen vierten Spielen möglichst so bleiben.
Mit der Eröffnungs-Pressekonferenz am 27. August im Deutschen Haus Paralympics im Stade Jean Bouin beginnt für Edina Müller und Martin Schulz die besondere Zeit als Fahnenträger*in, die ihren Höhepunkt am Abend des 28. August auf dem Place de la Concorde findet. Während Edina Müller anschließend genug Zeit hat, sich auf ihre Wettbewerbe ab 6. September vorzubereiten, springt Martin Schulz bereits am kommenden Sonntag, 1. September, in die Seine, um seinen paralympischen Gold-Hattrick hoffentlich zu vollenden. Die schwarz-rot-goldenen Fahnenträger-Erinnerungen können dann bestimmt extra Kräfte freisetzen.
Foto: Kevin Voigt / DBS
Text: DBS