Vor allem aber fühlt sich der Sport von der Politik einmal mehr übergangen. Im Interview mit der Sächsischen Zeitung hat Christian Dahms das Dilemma erklärt und Lösungen genannt. Dankenswerter Weise dürfen wir Ihnen das von SZ-Ressortleiter Sport Tino Meyer geführte Interview im Folgenden ungekürzt zur Verfügung stellen.


Herr Dahms, seit Montag gilt die neue Corona-Schutzverordnung in Sachsen. Teilen Sie den Eindruck, dass die Belange des Sports sich darin kaum bis wenig wiederfinden?
Nicht nur der Sport. Ich glaube, dass es viele gesellschaftliche Gruppierungen betrifft. Es wird zwar immer von einer möglichen Beteiligung gesprochen. Und wir werden auch beteiligt, nur wird nicht gehört, was wir sagen. Ich habe das schon häufiger betont: Zu jeder Verordnung, auch dieser jetzt wieder, schicken wir unsere Stellungnahme – die dann offensichtlich immer verfliegt.

Was sagen Sie zur neuen Verordnung, sind Sie zufrieden?
Ganz klar: nein. In den Paragrafen 8 und 9, die Maßnahmen bei der Vorwarn- und der Überlastungsstufe festlegen, erscheint der Sport im Außenbereich gar nicht und der Sport im Innenbereich nur in Paragraf 9. Stattdessen heißt es jetzt, dass der Vereinssport eine private Zusammenkunft darstellt. Das konterkariert aus unserer Sicht die Grundfesten des Vereinssports, der ja nicht zufällig auch im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt wird. An diesem Beispiel sieht man ganz schön, dass vorschnell argumentiert und interpretiert worden ist. Dabei ließe sich das schnell klären: Indem adäquate Formulierungen den Sport betreffend in den Paragrafen 8 und 9 auftauchen.

Besonders bei Vereinen ist die Verunsicherung groß. Was sagen Sie denen?
Grundsätzlich ist der Sport nicht verboten, das ist erst mal das Wichtigste. Vor einem Jahr hatten wir einen kompletten Lockdown im Amateur- und Freizeitsport. Den haben wir jetzt glücklicherweise nicht. Unabhängig davon, wie man zum 2G- und 3G-Modell steht, können wir vorsichtig positiv konstatieren: Sport kann stattfinden, auch der Vereinssport im Innen- und Außenbereich. Was wir jetzt aber dringend brauchen, ist zumindest eine Klarstellung, ob die Regelung mit den privaten Zusammenkünften wirklich so bleiben soll. Wenn ja, lässt sich der Trainingsbetrieb so noch einigermaßen aufrechterhalten, mit Wettkämpfen wird es aber schwierig. Und zu klären ist außerdem, wer diese zehn Ungeimpften und Ungenesenen sind, die sich privat treffen dürfen? Sind das ausschließlich Sportler oder gehören Zuschauer, Betreuer, Schiedsrichter und ehrenamtliche Helfer auch dazu?

Sie fordern eine Klarstellung, wie agiert der Landessportbund jetzt?
Wir sind in Gesprächen mit dem Ministerium, dass wir zum einen eine Klarstellung hinbekommen und damit auch eine Sicherheit für die Vereine herstellen, nachdem man uns am vergangenen Wochenende tatsächlich massiv falsch verstanden und uns den Rechtsbruch-Aufruf in den Mund gelegt hat.

Sie meinen die Erwiderung von Gesundheitsministerin Petra Köpping auf die Aussage von Hermann Winkler, dem sächsischen Fußballverbandschef, der erklärte, Fußball sei keine private Zusammenkunft, alle Spiele würden deshalb wie geplant stattfinden.
Mitnichten haben wir zum Rechtsbruch aufgerufen, sondern allein über die Auslegung der Verordnung gesprochen. Auch darüber müssen wir mit dem Ministerium noch mal reden.

Für den vereinsorganisierten Sport in Sachsen das Beste herausholen

Die Fronten scheinen verhärtet, zumal Winkler am Wochenende noch einmal nachgelegt hat und meint, die Gesundheitsministerin habe sich sicher am meisten über ihre Wortwahl geärgert und werde sich bei den Sportlern entschuldigen. Ist der Konflikt von Sport und Politik inzwischen einer von Winkler gegen Köpping?
Hermann Winkler hat nicht allein für den Fußball gesprochen. Wir sind nicht erst seit vergangener Woche in enger Abstimmung, übrigens nicht nur mit dem Sächsischen Fußball-Verband als der größte Verband im Landessportbund mit seinen 130.000 Mitgliedern. Es liegt uns allen daran, für den vereinsorganisierten Sport in Sachsen das Beste herauszuholen.

Und die verhärteten Fronten?
Hier geht es nicht um persönliche Empfindungen. Wenn ich jetzt den Kopf in den Sand stecken würde, wäre ich als Generalsekretär des Landessportbundes fehl am Platz. Ich sage noch mal: Wir stehen für den Dialog bereit. Die Frage ist vielmehr, ob die andere Seite einen Dialog möchte und dann auch Sachen aus diesem Dialog mitnehmen will. Das ist eher der schwierige Punkt. Wir sind nicht beratungsresistent. Ich werde weiter wie am ersten Tag für die Sache kämpfen.

Die Zeit drängt, am Wochenende stehen die nächsten Wettkämpfe an. Wie ist Ihr Plan?
Die derzeitige Lesart der Verordnung ist eindeutig: Sport ist private Zusammenkunft, und damit sind die Regelungen klar vorgegeben. Das heißt: Sport kann stattfinden, auch mit maximal zehn ungeimpften und ungenesenen Personen. Was in dieser Woche noch passieren kann: Dass wir von der Vorwarnstufe in die Überlastungsstufe kommen. Dann gelten neue Regeln, nämlich nur noch 2G und nichts mehr mit zehn Personen. Für den Fall ist auch der Sport im Innenbereich schon mal klipp und klar geregelt, ob einem das nun gefällt oder nicht. Und dann könnte ich mir vorstellen, dass der Wettkampfsport auch mal für ein Wochenende und schlimmstenfalls natürlich länger pausiert, doch das muss jeder Verband individuell regeln.

Können Sie sich auch vorstellen, dass die Auslegung des Vereinssports als Privatsache doch noch gekippt wird?
Das ist auf jeden Fall das Ziel, das wir als Landesportbund verfolgen. Wozu gibt es eine Abgabenordnung, ein Ehrenamtsgesetz, eine Körperschaftssteuer? Wozu gibt es im Bürgerlichen Gesetzbuch Regelungen für den Verein, um dann zu sagen, es ist eine private Zusammenkunft? Da gibt es allein schon einige definitorische Merkmale, die deutlich darauf hinweisen, dass Vereinssport nicht privat ist. Vielleicht danach, wenn ich im Vereinsheim meine Bratwurst esse, aber nicht, wenn Kinder trainieren oder wir von Gesundheits- und Präventionssport sprechen. Den machen die Leute, damit sie überhaupt gesund bleiben.